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 E & BJ Capper Nagold 2005/2006

 

30.10 - 03.11.2005

Brno (Brünn) &
Jedovnice

Einsame Camper

Lonely Campers

Wenn wir unserem Plan, die tschechischen Welterbestätten zu besuchen, treu bleiben wollen, müssen wir vom angenehmen Campinglatz in Budweis Abschied nehmen. Als Basislager für Stätten im Osten der Republik eignet er sich nicht mehr. Doch wo soll es hingehen?
Laut unserem ADAC-Campingführer gibt es keine offenen Campingplätze in diesem östlichen Landesteil mehr. John findet im Internet die Werbung eines Platzes bei Brno, in der behauptet wird, der Platz sei ganzjährig geöffnet.
Vertrauensvoll bringen wir die weite Strecke nach Jedovnice bei Brno hinter uns und stehen am Abend vor einem völlig leeren und unbeaufsichtigten Platz, dessen Tor jedoch geöffnet ist, da sich oberhalb des Platzes eine Jugendherberge befindet.

We want to carry out our plan to visit UNESCO world heritage sites in the Czech Republic, so its time to move on from the pleasant camping site at Budweis, which is much too far away to serve as base for the east of the country. But where should we go at this time of the year?
Our ADAC camping guide shows no sites open, but I had found a site advertised in the web before setting out which is apparently open all year.
We drive trustingly the long distance to Jedovnice to the north east of Brno and in the early evening find ourselves outside a completely unoccupied camping site with the reception empty and closed. But the gate is open, apparently because of the youth hostel adjoining the site at the far end.

Wir fahren einfach hinein, und ein zufällig vorbeikommender Herbergsmitarbeiter deutet auf die Stromanschlüsse, wir sollen uns bedienen. Da stehen wir dann mehrere Tage, gut mit Elektrizität versorgt, jedoch ohne Zugang zu Wasser und Abwasser.
Wir planen bereits, unser Waschwasser mit billigen Lidl-Wasserflaschen aufzufüllen und senden eine E-Mail zum Betreiber nach Brno, da wir ja vielleicht auch mal zahlen wollen, als am dritten Tag eine freundliche Mitarbeiterin auftaucht, die uns die Waschmöglichkeiten bei der Herberge zeigt und pro Tag 8 Euro inklusive Strom berechnet. Wir sind völlig versöhnt und können nur jedem, den es Anfang November zu den Welterbestätten im Osten Tschechiens treibt, diesen Platz weiterempfehlen. Mit etwas Glück darf man auch bezahlen.

We drive in and by chance someone from the youth hostel comes past and indicates that we should help ourselves to one of the electricity hook-ups. So we camp there for about three days (doing our trips each day), well served with electricity but without access to water or a WC outside the caravan.
We start to  plan to fill our water tanks with cheap bottled water from Lidl and wonder about how to pay when we go. Nobody responds to the written messages we leave on the caravan. We even send an e-mail to the camp site manager in Brno. At last a friendly lady turns up who shows us the one WC open near the youth hostel and is even prepared to accept our payment - only about €8 per night all-in.  We find that very reasonable.

 

 

 

Der Campingplatz liegt am Rande eines beliebten Feriengebiets, dem Mährischen Karst, der zwischen schönen Wäldern und zahlreichen Seen tief eingeschnittene Schluchten und berühmte Tropfsteinhöhlen aufweist.
Wie andere Seen in Tschechien, die wir gesehen haben, auch, ist dieser See am Campingplatz fast ausgetrocknet und zeigt sicherlich nicht viel von seinem üblichen Reiz. Ob der vergangene Sommer in Tschechien besonders trocken war?

The camping site is on the edge of a popular holiday area, the Moravian Karst with beautiful woodlands, lakes and with deeply eroded gorges and famous stalactite caves.
As with other lakes we have seen in the Czech Republic, the lake directly next to the camping site is almost dried out and rather lacks its probably usual charm. Was the past summer in the Czech Republic unusually dry?

 

 

 

Auf dem Campingplatz steht auch dieser Schuppen voller Netze mit Booten davor. Eine Schautafel klärt uns über die hier übliche Art der Fischerei auf: Mit diesen Netzen werden die Fische immer enger umzingelt, bis man sie von den Booten aus in den Netzen aus dem Wasser ziehen kann. Am letzten Tag unseres Aufenthalts beobachten wir eine Gruppe Fischer, die aus den letzten verbliebenen Wasserpfützen des Sees mit Hilfe riesiger Plastikbottiche ganze Wagenladungen voller Fische aus dem Wasser stemmt.

A shed stands on the camping site with fishing nets hanging in it and with flat-bottomed boats nearby. A presentation board near the entrance explains how fishing is traditionally done here. The boats with the nets surround the fish and drive them closer and closer together in shallow water until they can be hauled in.
On the last day of our stay we see a group of fishermen using a similar method in the small remaining area of water in the lake and using large plastic containers to carry the heavy load of fish away.

 

 

 

Brno ist eine industrielle Stadt im Aufbruch. Die Vororte bestechen durch riesige, häufig farblich aufgelockerte Plattenbausiedlungen, und an fast jeder Ecke findet man die Creme de la creme der internationalen Supermärkte: Frankreichs  Carrefour-Märkte, Großbritanniens Tesco, Österreichs Interspar, und Deutschland glänzt mit Lidl und Aldi.

Brno wird für uns zu der Stadt, wo man sich Ersatzteile beschafft.
 In Tschechien muss ab November auch tagsüber das Abblendlicht eingeschaltet werden, doch plötzlich versagt eine Birne am Auto ihren Dienst.
Da wir uns für unsere Spanien-Rundreise einen kompletten Satz Ersatzbirnen beschaffen mussten (ist dort Gesetz), marschieren wir stolz mit unserem Päckchen Birnen in der Hand in ein mondänes Audi-Autohaus. Johns vorhergehende Versuche, die Birne selbst auszutauschen, scheitern an den vielen kleinen Aufklebern auf der Birnenhalterung mit der Aufschrift "Hochspannung -  Lebensgefahr - nur vom Fachmann zu wechseln". Nach einer kurzen Begutachtung kommt der Monteur des Autohauses verlegen zurück und klärt uns mit Hilfe einer Dolmetscherin darüber auf, dass keines der Lämpchen passe, wir bräuchten eine Xenon-Birne, das könne teuer werden. Eine halbe Stunde später sind wir fast 200 Euro losgeworden.
Seit Valtice verweigert auch unsere Minolta-Kamera ihren Dienst. Ein Weltkulturtrip ohne Bilder? Nach all dem Aufwand, hierher zu kommen, sehen wir keine andere Möglichkeit, als uns eine kleine Ersatzkamera zu kaufen und entscheiden uns für eine Panasonic Lumix - Taschenkamera. Unsere nun nach Lednice/Valtice folgenden Tschechien-Kapitel werden also mit Fotos von dieser Kamera geschmückt sein.
Ja, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Brno an uns reich geworden ist.

Brno is a busy industrial city. In the suburbs are large numbers of high-rise, prefabricated concrete slab buildings which have now often been given more cheerful colours than in their socialist past. On almost every corner are the bastions of the modern supermarket invasion; Carrefour from France, Tesco from the UK, Interspar from Austria, Lidl and Aldi from Germany.

For us Brno is where to go for replacement parts.
In the Czech Republic car lights have to be on all day in the winter from November onwards, and one of the car headlights suddenly goes out.
As we had bought a set of replacement lights for our round-trip to Spain (needed there by law), we walk proudly with the light set into the Audi showroom to get it changed. (I had tried myself, until stopped by the signs saying High Voltage - mortal danger - only to be changed by professional etc.) After a short while the mechanic returned rather embarrassed and with the assistance of a translator explained that there was no xenon lamp in the set, that it would be rather expensive and how would we pay. Fortunately the credit card was satisfactory. Half an hour later we were almost €200 poorer.
Since Valtice our Minolta camera has broken down. A world heritage trip without a camera? After all the effort and cost to get this far we see no alternative to buying ourselves a small replacement - a Panasonic Lumix. So starting with the pictures below and for the chapters after Lednice/Valtice, the photos will be from the new camera.
Altogether Brno proved to be a rather expensive stop.

 

 

 

Doch wir treiben uns natürlich nicht ohne Hintergedanken in Brno herum, denn die Stadt ist selbst kein UNESCO Weltkulturerbe , aber sie besitzt eines (seit 2001), ein einzelnes Gebäude, einen Klassiker der Moderne. Es handelt sich um die von Ludwig Mies van der Rohe in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts erbaute Villa Tugendhat, sein konsequentestes und schönstes bauliches Vermächtnis auf europäischem Boden.

Die reiche jüdische Industriellenfamilie Tugendhat war vom avantgardistischen Stil Mies van der Rohes begeistert und beauftragte ihn mit dem Bau eines Eigenheims. Da Geld keine Rolle spielte, konnte Mies konsequent seine Ideen durchsetzten. Die einzelnen Räume wurden zu einer einzigen, 240 qm großen Funktionseinheit mit spektakulärer Aussicht über Brno verschmolzen, und selbst der Garten konnte in den Wohnbereich miteinbezogen werden, indem sich die riesigen Panoramafenster per Knopfdruck in den Boden versenken ließen. Eine freistehende geschwungene Wand aus Onyx, das Mies selbst in Afrika aussuchte, wurde eingezogen und edelste Hölzer eingesetzt. Sogar das Inventar wurde von Mies entworfen. Trotz kritischer Stimmen von Zeitgenossen liebte die kinderreiche Familie das Haus und fühlte sich darin wie befreit.

Sie durfte nur 7 Jahre darin leben. Als 1937 der Einmarsch der Nazis in Brno drohte, floh die Familie erst in die Schweiz, dann nach Venezuela. Das Haus wurde von den Nazis beschlagnahmt und diente während des Krieges als Konstruktionsbüro des Flugzeugherstellers Messerschmidt.
1945 beschlagnahmten die Sowjets das Gebäude und nutzten es als Pferdestall. Vor der Wand aus Onyx wurden Ochsen gebraten. Die kommunistische CSSR betrieb später darin eine Klinik für Heilgymnastik, bis das Haus zum nationalen Denkmal erklärt und schließlich in den 80er Jahren renoviert wurde, eine beachtliche Leistung, bedenkt man, dass es sich dabei um eine kapitalistische Villa eines deutschen Architekten handelt.
 
Wir haben das Haus nur abends und nur von außen gesehen, da eine Führung gebucht werden muss und wir anderweitig mit diversen Pannen beschäftigt waren. Doch auch der äußere Eindruck des Hauses ist immer noch spektakulär. Zwischen all den Gründerzeitvillen in der Nachbarschaft nimmt es sich auch heute noch futuristisch aus. Hinter der geschwungenen Milchglasfront verbirgt sich das Treppenhaus, die Wände sind von großer Schlichtheit, und die faszinierende Aussicht lässt sich anhand des Durchgangs etwas erahnen.

There is another reason for our visit to Brno. The town itself is not on the UNESCO list of world heritage sites, but one of its buildings is. It is a modern classic, the Villa Tugendhat, built in the 1920s by Ludwig Mies van der Rohe and seen as his most consequential and beautiful building structure in Europe.

The rich Jewish industrial Tugendat family were enthusiastic about Mies van der Rohes avant-garde style and commissioned him to build them a family home. Money was no object, so Mies could realize his extravagant ideas. The individual rooms were joined together into a single 240 sqm functional unit with a spectacular view over Brno, and even the garden was incorporated into the living area as, at the press of a button, the enormous panorama window could be lowered into the floor. A free-standing curved wall of onyx, personally selected by Mies in Africa, was incorporated and the noblest types of wood used. Even the furniture and fittings were designed by Mies. Despite critical contemporary opinions, the family with their many children loved the house and felt much at home in it.

They were only able to live in it for 7 years. In 1937 Brno was threatened by the Nazi invasion. The family fled, first to Switzerland and later to Venezuela. The house was seized by the Nazis and served during the war as a design and engineering office for the Messerschmidt aeroplane manufacturing company.
In 1945 the Soviets seized the building and used it as a stable for horses. In front of the onyx wall oxen were  roasted. Later on it was used by the communist CSSR as a physiotherapy clinic, until the house was declared a national monument and was restored in the 1980s. For the time that was quite something, considering it was a capitalist villa built by a German architect.

We only saw the house in the evening and from outside. A visit - including guided tour - has to be booked in advance and we were rather preoccupied due to our various break-downs.  From the outside the house is certainly impressive.  Between all the late 1800s villas in the neighbourhood it still looks futuristic. Behind the curved frosted glass front is the stairway, the walls seem very frugal and through the covered walk there is a glimpse of the fascinating view.

 

 

 

Ein Bild von der Hausseite mit der beleuchteten Burg Spielberg im Hintergrund.
1992 wurde in der Villa die Trennung von Tschechien und der Slowakei beschlossen. Heute bröckelt der Putz  bereits wieder sichtbar, und man hört Stimmen, die vor dem Verfall des Weltkulturerbes warnen, wenn sich nicht bald Geldgeber für eine Renovierung finden lassen. Letzteres muss wohl kürzlich geglückt sein. Wir haben gelesen, dass das Haus 2 Jahre lang wegen gründlicher Instandsetzungen geschlossen bleibt.

The house from the side with the distant lights of the Spielberg hill in the background.
In 1992 the separation of the Czech and the Slovak Republics  into two countries was decided here. Today the plaster is visibly crumbling again and people have warned of decay of the world heritage building unless financing for the restoration can be found soon. This has presumably now been successful as we have read that the house will be closed for 2 years for thorough renovation work.

 

 

 

Zusatzbilder

Additional pictures

Auf unserem Trip im Jahre 2005 konnten wir weder die Villa Tugendhat  von innen sehen, noch das Haus bei Tageslicht anschauen. Deshalb sind wir jetzt erfreut, einige Zusatzbilder von Professor Richard Blum  ausstellen zu dürfen, die er während eines Besuches im Jahr 2012 aufgenommen hat, und die das jetzt restaurierte Haus und den Garten zeigen.
Sogar uns als Nichtfachleute beeindruckt die Architektur mit ihren klaren, aber attraktiven Linien und zeigt sich erstaunlich modern.

On our trip in 2005 we were not able to look inside the Villa Tugendhat or even to see it by daylight, so we are pleased now to be permitted to add a few pictures by Professor Richard Blum taken on his visit in 2012, which show the house and garden now after restoration .
Even for us as lay people the architecture is striking for its clear but attractive lines and is astonishingly modern.

Wie Dr. Blum uns erzählt hat, ist der Raum links das Kinderzimmer des bekannten Philosophen Ernst Tugendhat, der hier lebte, bevor er das Haus mit seiner Familie 1937 verlassen musste. Das Bild rechts davon zeigt den Blick aus dem gleichen Zimmer auf Brnos Burg Špilberg.

Dr. Blum tells us that the room on the left is the childhood room of the well-known philosopher Ernst Tugendhat, who lived here until he had to leave with his family in 1937. The picture to the right is the view out of the same room looking across to Brnos Spilberg (Špilberg) Castle.

 

 

 

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